Belastungen der deutschen Industrie durch den Russland-Konflikt nehmen weiter zu

12/09/2014
Belastungen der deutschen Industrie durch den Russland-Konflikt nehmen weiter zu
Schon seit über einem Jahr macht sich der anhaltende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine in der deutschen Außenhandelsstatistik negativ bemerkbar. Durch die verschärften Sanktionen der EU gegen Russland wird sich der Abwärtstrend mit großer Wahrscheinlichkeit weiter beschleunigen. Neueste Schätzungen erwarten für das Gesamtjahr 2014 einen Rückgang der deutschen Exporte nach Russland um 7 Mrd. Euro und einen damit verbundenen Wegfall von 25.000 bis 50.000 Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik.
Der schwelende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat schon lange vor der Verabschiedung von Sanktionen durch das Ausland zu einer erheblichen Verunsicherung der Marktakteure geführt. Deshalb stellen seit über einem Jahr sowohl private Haushalte wie auch Unternehmen größere Investitionsprojekte in den beiden Krisenländern zunehmend zurück.

Dies führte zu einer deutlichen Verlangsamung der konjunkturellen Entwicklung im einst so attraktiven Schwellenland Russland. Das Wirtschaftswachstum bewegt sich inzwischen unterhalb der 1-Prozent-Marke im Vorjahresvergleich und droht weiter abzusinken. Die heimische Industrieproduktion hat sich ähnlich abgekühlt. Einige wichtige Subsegmente wie der Maschinenbau und die Automobilindustrie melden sogar deutliche Rückgänge.

Unter dieser Entwicklung leiden nicht nur die russischen Firmen sondern auch deutsche Exportunternehmen, die Russland in der Vergangenheit zu einer wichtigen Zielnation für ihre Waren und Dienstleistungen aufgebaut haben. Allein im ersten Halbjahr 2014 sanken die deutschen Ausfuhren nach Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in Summe um 15,5 % bzw. 2,8 Mrd. Euro. Für das Gesamtjahr wird sogar ein Rückgang von 20 bis 25% bzw. von rund 7 Mrd. Euro erwartet. Der könnte zu einem Wegfall von rund 25.000 bis 50.000 Arbeitsplätzen in der deutschen Wirtschaft führen.

Vor wenigen Wochen wurde die Verschärfung der EU-Sanktionen beschlossen. Sie betrifft insbesondere den Finanzsektor und die Ausfuhr von Technologien zur Erdölförderung. Im Gegenzug verhängte Russland ein Importverbot für ausgewählte Nahrungsmittel. Diese Maßnahmen werden sich vor allem negativ auf die deutschen Exporte von Maschinen und Anlagen sowie von Fleisch, Milchprodukten, Obst und Gemüse auswirken und den dort vorhandenen Abwärtstrend noch zusätzlich verschärfen. Allerdings ist im Bereich der Agrarindustrie ein deutlich geringerer Jahres-Export-Umsatz (ca. 580 Mio. Euro) gefährdet als im Maschinenbau (ca. 7,8 Mrd. Euro).

Der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) berichtet, dass die relativ unpräzise formulierten Sanktionsvorschriften schon in den ersten Tagen der Umsetzung zu erheblichen Verzögerungen im Russlandgeschäft geführt haben. Die zu prüfenden Produktgruppen sind nicht eindeutig auf Erdölfördertechnologien begrenzt, sondern teilweise auch viel allgemeiner gefasst. Umgekehrt zögern die russischen Kunden jetzt nicht nur bei den sanktionierten Produkten, deutsche Ware zu bestellen. Vielmehr fürchten sie, dass bei weiteren Sanktionen auch andere Komponenten plötzlich nur noch mit deutlicher Verspätung erhältlich sind. Deshalb werden neue Lieferquellen in Asien gesucht oder auch in südeuropäischen Ländern, die die Einhaltung der Sanktionen nicht ganz so genau nehmen sollen wie Deutschland.

Nicht betroffen von den neuen Embargovorschriften ist die deutsche Automobilindustrie. Dennoch muss auch sie mit kräftigen konjunkturbedingten Rückgängen bei Russland-Exporten und Vor-Ort-Produktionsstätten deutscher OEM (z.B. VW und Opel Group) bzw. Zulieferer zurechtkommen. Aber die Branche gibt sich vergleichsweise gelassen. Ihr ist vor allem wichtig, den Marktanteil bei rund 20% zu halten, auch wenn man die recht heftigen Schwankungen des Marktes „mitatmen“ muss. Langfristig bietet das Land aber weiterhin ein sehr attraktives Potenzial.