Voice of Customer – sprechen Sie „Kunde“? (4)

16.09.2015
Voice of Customer – sprechen Sie „Kunde“? (4)
Teil 4: Erhebungsverfahren – hören Sie „Kunde“?

Kundenerwartungen und -zufriedenheit zu erfassen ist eine wichtige Voraussetzung für zielgerichtetes Qualitätsmanagement. Die von uns periodisch veröffentlichte Reihe "Voice of Customer" bietet Ihnen eine Übersicht zu den wichtigsten Begriffen und methodischen Aspekten. In den folgenden Ausgaben befassen wir uns mit Aspekten der Planung einer Kundenbefragung, und diskutieren im vierten Teil der Reihe Vor- und Nachteile verschiedener Erhebungsverfahren.
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten als Marketingleiter eines großen B2B-Unternehmens die Zielvorgabe, für den nächsten Strategiezyklus eine systematische Kundenzufriedenheitsmessung durchzuführen. Nun stehen Sie vor der Entscheidung, welches Verfahren zur Datenerhebung genutzt werden soll. Dazu wären zunächst zwei wichtige Fragen zu beantworten: Welches Ziel verfolgen Sie mit der Messung – und welche Methode bietet die Verlässlichkeit und die inhaltliche Tiefe, um alle daraus resultierenden Kernfragen zufriedenstellend zu beantworten?

Vor allem folgende Erhebungsmethoden kommen in Betracht:
• Face-to-Face Interview: Befragung des Kunden direkt vor Ort im persönlichen Gespräch, auch computergestützt möglich (CAPI).
• Telefonisches Interview: Persönliche Befragung des Kunden in einem telefonischen Gespräch, erfolgt häufig computergestützt (CATI).
• Online-Befragung (CAWI): Der Kunde erhält Zugang zu einem Online-Fragebogen (z.B. per E-Mail als Link), den er selbständig beantwortet.
• Schriftliche Befragung (PAPI): Der Kunde erhält einen Papierfrage-bogen (z.B. postalisch), den er selbständig ausfüllt und zurücksendet.
• Fokusgruppe: Ein Moderator interviewt eine Gruppe mehrerer Kunden anhand eines Diskussionsleitfadens. Der kommunikative Austausch und das Aushandeln der Antworten werden aufgezeichnet.

Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Vor- und Nachteile der verschiedenen Erhebungsmethoden anhand ausgewählter Kriterien, die sich in der Praxis als relevante Entscheidungsfaktoren gezeigt haben.



Je nachdem, welche Kriterien für die geplante Befragung besonders hoch gewichtet sind (z.B. Kosten, Informationstiefe, Objektivität, Antwortbereit-schaft) und welche Rahmenbedingungen vorliegen (z.B. Dringlichkeit, Budgetbeschränkung, erforderliche Informationstiefe), empfiehlt sich die Auswahl unterschiedlicher Methoden. Zu beachten ist, dass im B2B häufig eine sehr kleine Grundgesamtheit vorliegt und eine langfristige, tiefe Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde besteht – das sollte sich in der Auswahl der Erhebungsmethode niederschlagen.

Hinsichtlich ihrer Praktikabilität und Detailtiefe haben sich insbesondere persönliche und v.a. telefonische Interviews bewährt: Ihr Einsatzprofil deckt die üblicherweise auftretenden Anforderungen ab, die sich bei Kundenbefragungen speziell im B2B finden. Vor allem aber ermöglichen ihre detaillierten Ergebnisse eine zielgerichtete Ableitung von Handlungs-empfehlungen. Eine noch tiefere Diskussion ermöglichen Face-to-Face Interviews, die zudem die persönliche Wertschätzung des Kunden widerspiegelt, und für wichtige Kunden in Betracht gezogen werden sollte.

Eine kostengünstige Alternative bietet die Online-Befragung, mit der eine breite Masse bis hin zur Vollerhebung erreicht werden kann. Zwar ermöglicht sie nur ein begrenztes Spektrum sinnvoll einsetzbarer Fragen, diese können jedoch für bestimmte Fragestellungen gänzlich ausreichend sein. Es gilt, die Nachteile abzuwägen: Geringe Rücklaufquoten (z.T. unter 10%), geringe Kontrolle der Stichprobenstruktur (z.B. Anteil je Land), nur kurze akzeptierte Ausfüllzeiten (etwa 10 min.), vorwiegend geschlossene Fragen und keine Möglichkeit für klärende Rückfragen. Als eher exotisch einzuschätzen ist dagegen die Befragung anhand Papierfragebogen. Das Verfahren ist für unternehmensinterne Erhebungen durchaus geeignet, findet in Kundenbefragungen aber fast ausschließlich dann Anwendung, wenn die Zielgruppe online oder telefonisch nur schwer zu erreichen ist.

Neben direkten Kundenbefragungen gibt es die Möglichkeit der indirekten Evaluation anhand der systematischen Auswertung von Sekundärquellen, etwa unternehmensintern erhobenen Kundenstatistiken. Diese enthalten häufig kritische Rückmeldungen der Kunden an das Beschwerdemanage-ment, über die sich aktuelle Missstände identifizieren lassen. Als alleinige Quelle vermitteln diese Daten eine sehr eingeschränkte Perspektive auf das Unternehmen, zudem aus der Wahrnehmung einer (hoffentlich) nur kleinen Gruppe unzufriedener Kunden. Als Vorbereitung einer direkten Befragung jedoch können sie für zentrale Schmerzpunkte der Kunden sensibilisieren. Ähnlich ist die Erhebung mittels moderierter Fokusgruppe einzuschätzen, die mit üblicherweise sehr kleinen Stichproben kein reprä-sentatives Bild der aktuellen Wahrnehmung im Markt vermittelt. Aufgrund der Tiefe der Diskussion kann sie sich jedoch für eine Vorstudie eignen, um Hypothesen und relevante Aspekte der Kundenbindung zu erfassen.

Sie haben die vorausgehenden Folgen der Voice of Customer-Reihe verpasst? Unter der Rubrik News finden Sie alle bisher erschienenen Ausgaben.

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