Automobile Innenraumeinrichtung im Fokus: Den globalen Klebstoff-Lebenszyklus zum Wettbewerbsvorteil nutzen

17.12.2015
Automobile Innenraumeinrichtung im Fokus: Den globalen Klebstoff-Lebenszyklus zum Wettbewerbsvorteil nutzen
Für den globalen Klebstoffmarkt wird ein Wachstum von 4 % p.a. bis 2020 prognostiziert. Mit einer Steigerung von 6 % p.a. liegt der Bereich der Klebstoffe speziell für automobile Innenraumanwendungen sogar noch über dem Durchschnitt. Jedoch erfährt gerade dieses Segment einen dynamischen Wandel – vor allem in Bezug auf die Art, Verwendung und die Rohmaterialien des Klebstoffes. Entsprechend stellt sich die Frage: Wie kann sich ein Klebstoffhersteller positionieren, um einen Wettbewerbsvorteil in diesem sich verändernden Markt zu erlangen?
Eine Kernfrage im Produktionsprozess ist, wie verbindet und fixiert man Teile?

Historisch gesehen: in den Anfangszeiten der industriellen Produktion war die Antwort relativ einfach. Mechanische Befestigung, z. B. Schweißen, Nähen oder Schrauben waren das Mittel der Wahl. Doch mit steigender Vielfalt an Materialien und Materialkombinationen waren diese Möglichkeiten schnell erschöpft. Es folgten deutliche Fortschritte in der Klebstoffentwicklung. In den späten 1920ern wurde PVC basierter Klebstoff patentiert. Danach: Acrylate, zwei Komponenten Epoxide und Schmelzklebstoffe bis in die 1960er Jahre und weitere neue Technologien von den 1970ern bis heute (etwa 1-K PU oder UV härtende Klebstoffe) folgten. Diese große Auswahl an verfügbaren Klebstoffen hat Herstellern eine Vielzahl an Möglichkeiten gegeben, um Teile während der Montage zu befestigen und zu fixieren.

Fokus auf automobile Innenraumanwendungen
Im Innenraum von Automobilen findet eine Vielzahl von Klebstoffen Anwendung. Je nach Funktion der geklebten Teile wird hier fast jede Art von Klebstoff angewendet. Außerdem spielt das Potenzial zur Kosteneinsparung durch effizientere Montageprozesse eine wichtige Rolle.

Dennoch: Trotz der Komplexität und der Vielzahl von verwendeten Klebstoffen ist ein klarer Lebenszyklus des Klebens zu beobachten. Dieser ist abhängig vom Niveau der technischen Fähigkeit, Automatisierungsgrad, Kundenerwartung und regionalen Vorschriften.

Im globalen Vergleich zeigt der Klebstoff-Lebenszyklus im Automotive Segment länderspezifische Affinitäten und Vorlieben.

Süd-Ost-Asien: Primär günstig
In der ersten Phase wird mechanisches Fixieren (z. B. mittels Nähen) durch Kleben ersetzt. Man verwendet lösungsmittelbasierende Klebstoffe, da sie die billigsten Vertreter ihrer Art sind und sehr vielfältig in ihrer Anwendung. Sie können in vielen Nicht-Strukturteilen verwendet werden und sind sehr einfach in der Handhabung, z. B. durch ihre langen Topfzeiten. Die Auftragung erfolgt meist manuell. Daher kann der Klebstoff auch von vergleichsweise unerfahrenen Arbeitern verarbeitet werden. Derartige Klebstoffe sind immer noch sehr beliebt in der Fahrzeugherstellung in Süd- und Süd-Ost-Asien.
Gründe:
–geringe Kosten
–geringer Automatisierungsgrad notwendig
–und geringe Sensibilisierung für VOC (=Volatile Organic Compounds, flüchtige organische Verbindungen)

Die nächste Stufe in der Klebstoffanwendung beobachtet man in der chinesischen Automobilindustrie. Ein höherer Automatisierungsgrad und eine größere Sensibilisierung für VOC sind die Treiber für die Anwendung fortgeschrittener Klebekonzepte: z. B. reaktive und einfache (EVA) Schmelzklebstoffe.

Für den höchsten Grad der Automatisierung und den geringsten Ausstoß von VOC sind meistens moderne (PO) Schmelzklebstoffe die beste Wahl. OEM in den voll entwickelten Märkten wie Europa tendieren dazu, andere Klebekonzepte durch Schmelzklebstoff zu ersetzen.

Die Verwendung von Klebstoffen geht immer mit zusätzlichen Kosten für den Klebstoff und die Applikationsmaschinen einher sowie der Belastung durch VOC - auch wenn diese mit modernen Schmelzklebstoff-Methoden gering ausfällt. Aus diesem Grund wird die klebstofffreie Montage in der Innenraumanwendung wahrscheinlich eine Renaissance erleben. Der Höhepunkt des Klebstoff-Zyklus könnte in weit entwickelten Märkten erreicht sein. Unsere Analyse hat gezeigt, dass besonders Ultraschall-Schweißen von thermoplastischen Materialien und fortschrittlichere mechanische Verbindungsmethoden an Relevanz zunehmen werden. Der erhöhte Produktionsoutput, besonders in Asien, wird dennoch zu einem Wachstum von
6 % p.a. für Klebstoffe für automobile Innenraumanwendungen führen.

Ein ähnlicher Trend ist in einem preissensiblen Markt zu beobachten: Windeln.
Dieser Industriezweig ist ebenfalls ein gutes Beispiel für den gleichzeitigen Umgang mit Kundenerwartungen und eine effiziente und kostengünstige Produktion. Insbesondere in Europa herrscht ein hohes Bewusstsein für VOC. Der Übergang von geruchsintensiven VOC Klebstoffen zu den neueren (PO) Schmelzklebstoffen mit weniger VOC wurde schon vor langer Zeit vollzogen. Heutzutage werden immer mehr Komponenten einer Windel ohne Kleber zusammengefügt. Selbst elastische Teile, für welche Klebstoffe essenziell waren, werden nun auch mechanisch verbunden.

Was bedeutet dies nun für die klebstoffproduzierende Industrie?
–Die Schwellenregion Asien ist ein wachsender Markt für reaktive und einfache (EVA) Schmelzklebstoffe für den Fahrzeuginnenraum und kann mit den derzeitigen Standardprodukten erreicht werden.
–In den gesättigten Märkten, in den USA, Japan und Europa, müssen Hochleistungsprodukte mit niedrigem VOC-Gehalt angeboten werden (z. B. PO Schmelzklebstoffe), um mit Klebstoffen konkurrenzfähig zu bleiben.
–Die OEM im sich entwickelnden Asien sollten von den Klebstoffen, die in den USA, Japan und Europa bereits verwendet werden, überzeugt werden, um die erste Wahl zu sein, wenn der Markt in die nächste Phase des Lebenszyklus übergeht.

Schlegel und Partner unterstützt Kunden aus dem Bereich der Klebstoffe bei der Identifikation von Wachstumsmöglichkeiten und der Erarbeitung von „Value Argumentations“ in verschiedensten Anwendungsfeldern. Vergangene Analysen haben gezeigt, dass trotz des Trends Klebstoffe in bestimmten Bereichen zu vermeiden, es insgesamt eine Zunahme von der Anwendung von Klebstoffen geben wird und neue attraktive Segmente entdeckt werden konnten.

© Schlegel und Partner 2015