In Zukunft volatil: Strompreise in Europa

19.06.2024
In Zukunft volatil: Strompreise in Europa
Die vergangenen beiden Jahre waren durch sehr starke Schwankungen der Strompreise in Europa gekennzeichnet. Verantwortlich dafür war nicht nur der durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Erdgas-Schock, sondern auch der zunehmende Anteil regenerativer Energien. In Zukunft dürften sich die Volatilitäten noch deutlich erhöhen.

Die zunehmende Elektrifizierung in Europa erfordert einen deutlichen Anstieg der installierten Leistung zur Stromerzeugung. Treiber hierfür sind vor allem die Elektromobilität, der Einsatz von Wärmepumpen und die geplante Wasserstoffproduktion. Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen und wegen der drastisch gesunkenen Erzeugungskosten der regenerativen Energien nimmt dabei die Anzahl an Kraftwerken zur Nutzung erneuerbarer Energien zu, während Kraftwerke mit hohen Treibhausgas-Emissionen vom Netz genommen werden.
Wir erwarten, dass der Anteil der nicht direkt steuerbaren bzw. fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis in das Jahr 2050 auf rund 75 % ansteigt. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Struktur und Volatilität der Strompreise, was auch mit den Verfahren zur Bildung des Strompreises zu tun hat:
Der Strompreis in Deutschland wird in Europa auf verschiedenen Strommärkten gebildet. Für den Großhandel wird dabei in den Börsen- und in den außerbörslichen Handel (OTC) unterschieden, welcher mit etwa 70 % den größten Anteil hat. Der Börsenhandel findet statt auf dem Spotmarkt (EPEX Spot in Paris) und auf dem Terminmarkt (EEX in Leipzig). Auf dem Spotmarkt werden Strommengen für den kurzfristigen Bedarf eingekauft.

Einen erheblichen Einfluss auf die Strompreisbildung hat dabei die Organisation von Einkäufen für den Folgetag (Day-Ahead) über Auktionen, woraus das so genannte Merit Order Prinzip resultiert: Vereinfacht ausgedrückt führt dies dazu, dass der Strompreis letztlich durch die Grenzerzeugungskosten jenes Kraftwerks gebildet wird, das gerade noch benötigt wird, um die Stromnachfrage zu decken. Daraus können dann zeitweise Strompreise resultieren, die gegen Null tendieren, wenn zum Beispiel die Einspeisung von Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft zusammengenommen so hoch ist, dass die gesamte Stromnachfrage daraus bedient werden kann.

Sogar negative Preise sind unter diesen Bedingungen möglich, weil die gleichzeitig betriebenen Kraftwerke auf Basis von Atomenergie und fossilen Brennstoffen vielfach nicht flexibel genug heruntergefahren werden können. In der Konsequenz lag der in Deutschland gehandelte Strompreis bereits im Jahr 2023 für insgesamt 301 Stunden im negativen Bereich. Im Jahr 2024 war der Monat April bisher Spitzenreiter mit 50 Stunden negativen Strompreisen.


Abbildung: Schematische Darstellung der prognostizierten Volatilitäten – Jahresextrema der Monatswerte - Mittlerer Strompreispfad in EUR/MWh in Deutschland 2025-2050, Quelle: prognos/vbw (2023)

Darüber hinaus wird der Ausbau erneuerbarer Energien kombiniert mit der Ausgestaltung der Strompreisbildung in Europa nicht nur in sehr viel stärker schwankenden Werten für einzelne Tage resultieren, sondern sehr wahrscheinlich auch saisonal zu stark schwankenden Preisen führen (Abbildung). Da vor allem Windkraft und Photovoltaik häufig in unterschiedlichen Monaten Peaks in der Produktion aufweisen, wird die Saisonalität geringer oder gar negativer Strompreise auch von dem jeweiligen Anteil dieser regenerativen Energien bestimmt werden. Mit dem zu erwartenden Ausbau der Photovoltaik werden dabei geringe oder negative Strompreise vor allem in den Sommermonaten wahrscheinlicher.

Allerdings sind sowohl Langfristprognosen zu den jährlichen Durchschnittspreisen als auch die Abbildung saisonaler kurzfristiger Volatilitäten mit sehr hohen Unsicherheiten behaftet.

Folgende mögliche Entwicklungen können dabei eine Rolle spielen:
  • Abweichungen des tatsächlichen Ausbaus erneuerbarer Energien im Vergleich zur Zielsetzung der Europäischen Gremien und der Bundesregierung.
  • Langfristige Verfügbarkeit kurzfristig steuerbarer Kraftwerke (zum Beispiel Gaskraftwerke)
  • Unvorhersehbare Ereignisse wie Ausfälle wichtiger Versorgungspipelines für Erdgas und die Verfügbarkeit von LNG
  • Zukunft der so genannten Sektorkopplung, vor allem durch den geplanten Ausbau der Elektrifizierung von Straßenfahrzeugen, aber auch der Einsatz von Wärmepumpen und der Wasserstoffproduktion.

Für Industrieunternehmen hat die zunehmende Volatilität der Strompreise zwei wesentliche Konsequenzen:
  • Aus technologischer Perspektive werden Speichertechnologien, wie etwa Batteriespeicher für die kurzfristige Überbrückung von Volatilitäten der Erzeugung immens wichtig werden. In ihren Strategien und Maßnahmen zur Elektrizitätsversorgung sollten Unternehmen vor allem die langen Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten für viele Speicheranlagen berücksichtigen.
  • Aus der Perspektive des Energiemanagements werden hingegen Verträge mit einer vertraglich fixierten Laufzeit und festgelegtem Preis noch wichtiger. Das gilt besonders für sogenannte Grünstrom-PPAs, die Planungssicherheit erzeugen. Darüber hinaus gilt es aber auch, die Energienachfrage in Unternehmen zeitlich so zu flexibilisieren bzw. zu kappen, dass Lastspitzen möglichst nicht auf Preisspitzen treffen. Hier kann zum Beispiel das Peak Shaving, auch Lastspitzenkappung genannt, als eine Form des Lastmanagements dazu beitragen, den Stromverbrauch in Spitzenlastzeiten zu reduzieren. Außerdem können auch zeitliche Verschiebungen energieintensiver Produktionsschritte dazu beitragen, die Stromnachfrage zu Uhrzeiten mit geringen Strompreisen zu verschieben.

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