Superzyklus am Ende? - Zur Entwicklung der Rohstoffpreise

23.09.2014
Superzyklus am Ende? - Zur Entwicklung der Rohstoffpreise
Der enorme Anstieg vieler Rohstoffpreise erreichte rund um das Jahr 2012 einen Höhepunkt. Danach setzte entgegen den Erwartungen vieler Markteilnehmer und Experten sogar ein leichter Rückgang ein. Obwohl sich zurzeit mehrere Konfliktherde auf die Preise von Energierohstoffen auswirken, besonders von Rohöl und Erdgas, wird unter Vertretern rohstoffintensiver Industrien und Finanzinvestoren diskutiert, ob damit das Ende des jüngsten Rohstoff-Superzyklus eingeläutet ist.
Im letzten Jahrzehnt schlug die Rohstoffmärkte ein Phänomen in Bann, das viele Marktteilnehmer als "Superzyklus" bezeichnen. Die Entwicklung vieler Rohstoffpreise entkoppelte sich vom globalen Wirtschaftswachstum. Innerhalb weniger Jahre verdoppelten oder verdreifachten sich sogar die Preise z. B. von Kupfer, Aluminium und Rohöl (siehe Abbildung). Alan Greenspan’s Diktum vom Kupferpreis als wichtigstem Indikator für die Entwicklung der Weltkonjunktur schien nicht mehr gültig zu sein. Nicht einmal der weltweite Wirtschaftsabschwung im Zuge der Finanzkrise 2008 und 2009 konnte diesem Aufwärtstrend etwas anhaben.

Als sich jedoch das Wirtschaftswachstum in China von jährlich 10 auf unter 8 Prozent verlangsamte, kam es an den Märkten das erste Mal seit nahezu hundert Jahren zu einem deutlichen Rückgang der Rohstoffpreise. Mittlerweile, im Jahr 2014, erklären einige Analysten, dass dies der Beginn eines Jahrhunderts mit sehr moderaten Rohstoffpreisen sein könnte. Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?

Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst verstehen, dass sich die Rohstoffmärkte in der Regel durch eine nur sehr geringe Elastizität sowohl des Angebots als auch der Nachfrage auszeichnen. Die Rohstoffnachfrage wird vom tatsächlichen Bedarf an diesen Materialien getrieben. Das ist am offensichtlichsten bei Rohöl. So ist z. B. der Kraftstoffpreis in Deutschland seit dem Jahr 2009 um ca. 50 Prozent gestiegen, während die Nachfrage nur um 5 Prozent zurückging – und dieser Nachfragerückgang kam vor allem durch Effizienzsteigerungen beim Kraftstoffverbrauch zustande. Andererseits verkaufen Rohstoffproduzenten oft zu jedem Preis aufgrund des hohen Fixkostenanteils bei der Ausbeutung und Produktion von Rohstoffen.

Abbildung: Index der Veränderung des Welt-BIP, des Rohstoffverbrauchs und der Rohstoffpreise (1990=100)

So gesehen war es nicht überraschend, dass die Preise für Rohstoffe wie Kupfer und Aluminimum stiegen als China begann, massiv in seine Infrastruktur zu investieren und der enorme wirtschaftliche Boom dort einsetzte. Tatsächlich wird der Kupferpreis heutzutage im Wesentlichen durch China bestimmt, das für 50 Prozent der weltweiten Kupfernachfrage steht. Chinas Kupfernachfrage ist heute fünfmal so hoch wie die des zweitgrößten Nachfragers, den USA.

Bei anderen Rohstoffen wie Rohöl spielt China keine so entscheidend prominente Rolle. Chinas Anteil an der weltweiten Rohölnachfrage liegt unter 10 Prozent. Im Falle von Rohöl haben vor allem eine stetig zunehmende globale Nachfrage, steigende Produktionskosten und hohe Produktionsausfälle in den letzten Jahren in Libyen, Iran, Irak und Venezuela zur Entkoppelung von Preis und Produktionsvolumen geführt.

Alles in allem wird die gegenwärtige Verschnaufpause an den Rohstoffmärkten höchstwahrscheinlich nicht zu einem dauerhaften Preisrückgang führen. Obwohl sich das Wirtschaftswachstum in China in letzter Zeit abgeschwächt hat, wird es wahrscheinlich in der nächsten Zeit weiter über 7 Prozent jährlich betragen. In China, wie in vielen anderen Schwellenländern, werden die Haupttrends, die viele Rohstoffpreise in die Höhe treiben, weiter anhalten:
  • Urbanisierung: Die Urbanisierung ist einer der Haupttreiber für die Rohstoffnachfrage, besonders bei Kupfer. Vor allem in China hält die Urbanisierung an. Jedes Jahr ziehen 15 bis 20 Millionen Menschen vom Land in die Städte, was umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen erfordert. Es wird erwartet, dass dieser Trend mindestens noch 15 bis 20 Jahre andauern wird.
  • Mittelschicht: In den Schwellenländern wird ein sehr starkes Wachstum der Mittelschicht erwartet. Das wird die Nachfrage nach rohstoffintensiven Produkten wie Büro- und Wohnimmobilien und Immobilienausstattung antreiben.
  • Kosten der Ausbeutung von Rohstoffvorkommen: Die Kosten der Ausbeutung vieler Rohstoffe werden weiterhin steigen, da die Vorkommen immer tiefer liegen und schwieriger zu erschließen sind. Daher müssen die Preise hoch bleiben, damit es sich für Unternehmen aus der Minen-Industrie lohnt, das Produktionsniveau aufrecht zu erhalten und in die Ausbeutung weiterer Vorkommen zu investieren.
Zusammengefasst wird die Nachfrage nach vielen Rohstoffen weiterhin stark steigen. Die moderate Entwicklung der Rohstoffpreise seit dem Jahr 2008 spiegelt den dauerhaften Anstieg nicht vollkommen wider. Damit ist nicht von einem Ende des Superzyklus auszugehen. Da der Schweinezyklus besonders für die Preise von Metallen einen hohen Erklärungsgehalt hat, sind deutliche Preissteigerungen sehr wahrscheinlich, wenn man zehn oder mehr Jahre vorausblickt. Die Preistrends werden bei verschiedenen Rohstoffen auch nicht mehr so gleichförmig verlaufen wie im zurückliegenden Jahrzehnt. Wir werden stärkere Unterschiede bei der Preisentwicklung verschiedener Arten von Rohstoffen beobachten.